Werner Hötzel geht nach erfolgreichen 32 Jahren in Ruhestand
Wer einen großen Teil seines Berufslebens auf der Kläranlage verbracht hat, kann tausend Geschichten erzählen. Nicht nur über die Abwasserreinigung und was sie alles zu leisten imstande ist, sondern auch über kuriose Dinge wie das Gebiss oder den Ehering im Abwasser. Denn es ist unglaublich, was alles in der Toilette und später beim Abwasserverband Langen/Egelsbach/Erzhausen landet. Werner Hötzel hatte hier – an der majestätischen Adresse Prinzessin-Margaret-Allee 1 – 32 Jahre lang das Sagen. Mit 65 geht er jetzt in den Ruhestand. Dann übernimmt Eva-Maria Frei das Ruder. Sie ist 31 und unterscheidet sich mit ihrem Tatendrang nicht von ihrem Vorgänger. Mit einer Mannschaft von knapp 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestaltet sie von nun an die Zukunft der örtlichen Abwasserreinigung.
Die Abwassertechnik ist schon jetzt auf einem sehr hohen Stand. Doch sie wird – angetrieben durch die Vorgaben des Gesetzgebers – immer weiter verfeinert. Das inspiriert und motiviert Menschen wie Hötzel und Frei. Ihr Handeln kommt der Natur, kommt den Pflanzen, Tieren und Menschen zugute. In der Kläranlage wird wie kaum anderswo Umweltschutz praktiziert. Wasser ist das Lebensmittel Nummer eins, von seiner Güte hängt maßgeblich das Leben auf der Erde ab.
Werner Hötzel war immer ganz vorne mit dabei, wenn es darum ging, neue Möglichkeiten der Abwasserreinigung zu nutzen. Nicht zuletzt durch die von ihm initiierten Forschungsprojekte hat sich der Abwasserverband einen guten Namen gemacht. Seit fünf Jahren läuft in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt und mit finanzieller Unterstützung durch das Land Hessen ein Vorhaben zur Entfernung von winzig kleinen Spurenstoffen aus Arzneimittelrückständen, das gerade um einen zweiten Abschnitt erweitert wird. Dabei geht es um die Elimination von antibiotischen Keimen und von Mikroplastik, das über Kosmetika und Zahnpasta ins Abwasser und über den Verzehr von Fischen in die Nahrungskette gelangt. „Das kann gesundheitlich bedenklich sein“, sagt Hötzel und man merkt ihm an, dass er die weitere Entwicklung der Abwasserreinigung auch im Ruhestand nicht aus den Augen verlieren wird.
Ein Forschungsvorhaben – damals zur Klärschlammverwertung – war es auch, das ihn 1983 zum Abwasserverband lockte. Sein Vorgänger Werner Sowa konnte das Projekt aus gesundheitlichen Gründen nicht zu Ende führen, die Stelle des Geschäftsführers musste neu besetzt werden. Hötzel bewarb sich und wurde genommen. Gute Voraussetzungen brachte er mit, war er doch zuvor Verbandsingenieur beim Abwasserverband Rur in Düren im Rheinland.
In Langen kam Hötzel zu einem Verband, der 1964 von der Stadt gemeinsam mit der Gemeinde Egelsbach gegründet wurde, um die Abwasserreinigung auf ein wirtschaftlich tragfähiges Fundament zu stellen. Die interkommunale Zusammenarbeit zur Kosteneinsparung wurde unter Hötzels Regie 1990 durch den Beitritt Erzhauses weiter ausgebaut. In jener Zeit liefen die Vorbereitungen für ein Mammutprojekt, bei dem es darum ging, Phosphor- und Stickstoffverbindungen, die in den Meeren das Algenwachstum befördern, aus dem Abwasser zu entfernen. Hötzel erinnert sich noch gut an die Hiobsbotschaften vom Robbensterben in der Nordsee und den damaligen Umweltminister Klaus Töpfer, der die Kläranlagenbetreiber zum Umrüsten verpflichtete. Für den Langener Geschäftsführer war dies Anlass genug, um die Verbandskläranlage komplett neu zu konzipieren. Nach intensiver Vorplanung wurde sie Mitte der neunziger Jahre zu 95 Prozent abgerissen und mit der damals fortschrittlichsten Technik wieder aufgebaut. Noch heute ist sie ein Vorzeigeobjekt, das Besuchergruppen aus Kindergärten in Erstaunen versetzt und Fachleuten aus dem In- und Ausland zur Anschauung dient. Die üblichen Vorurteile über Kläranlagen als Orte, die man lieber meidet, hat Hötzel mit seiner gepflegten, technisch hochinteressanten und sowohl landschaftlich als auch architektonisch gelungenen Anlage ins Gegenteil verkehrt.
56 Millionen Mark hat der Umbau damals gekostet, vier Millionen weniger als budgetiert – auch das ein großer Erfolg. Die Kapazität ist vorausschauend ausgelegt auf 75.000 Einwohner. Die Verbandsgemeinden können also noch wachsen, wie sie es in der Realität auch tun. Zurzeit werden die Abwässer von rund 55.000 Menschen gereinigt.
Beim Blick zurück kommt Hötzel auch auf die Übernahme der Kanäle von Egelsbach und Erzhausen zu sprechen. Der Unterhalt der Netze und ihr Ausbau seien beiden Gemeinden über den Kopf gewachsen. „Mit unserem Know-how werden wir gut mit dieser Aufgabe fertig, etwa wenn es darum geht, Neubaugebiete zu erschließen oder beispielsweise die erweiterte Startbahn des Flugplatzes Egelsbach zu unterqueren. Es gibt derzeit keinen größeren Erneuerungs- oder Reparaturbedarf“, bilanziert der scheidende Geschäftsführer, der die Ausgaben des Verbandes auf rund 7,2 Millionen Euro im Jahr beziffert. Finanziert werden sie über Gebühren. Gewinne dürfen nicht gemacht werden.
Fraglos gelungen ist es Hötzel, die stets höchsten Ansprüchen genügende Abwasserreinigung des Verbandes so wirtschaftlich wie möglich zu betreiben. Deswegen wurde zum Beispiel die mechanische Reinigung in den Verbandsanlagen in Erzhausen und Egelsbach eingestellt und in Langen zentralisiert. Wenn Kosten gespart werden, freut das natürlich auch die Kommunalpolitik. Deren Vertreter in den Verbandsorganen kann Hötzel nur loben. Bei Diskussionen und Entscheidungen stünden quer über alle Parteigrenzen hinweg einzig und allein Sachargumente im Vordergrund. Hötzel hatte während seiner Zeit zehn Bürgermeister an seiner Seite, die im Verbandsvorstand die Verantwortung trugen beziehungsweise aktuell tragen. Der Langener Bürgermeister Frieder Gebhardt ist Verbandsvorsteher und somit Hötzels Vorgesetzter. Er betont: „Werner Hötzel hat sich bei der Geschäftsführung des Verbandes viele Verdienste erworben und mit großem Engagement eine vorbildliche Abwasserreinigung aufgebaut.“
Die mannigfaltigen Aufgaben, immer neue Herausforderungen, die Gestaltungsmöglichkeiten und die Weitsicht auf künftige Entwicklungen haben für Hötzel den Reiz seiner Tätigkeit ausgemacht. Abwasser ist für ihn „das umfangreichste Vielfaltgemisch unserer Gesellschaft, weil sich darin praktisch alle Stoffe finden“, beschreibt er die Brühe, vor der andere nur zu gerne Abstand halten.
Die neue Geschäftsführerin Eva-Maria Frei stammt aus der Nähe von Nürnberg und kam zum Studium der Umwelttechnik ins Rhein-Main-Gebiet. Sie hat ihre Diplomarbeit über die biologische Abwasserreinigung geschrieben, sich in einem Ingenieurbüro mit der Abgasreinigung beschäftigt und parallel dazu ihre Masterarbeit über die europäische Wasserrahmenrichtlinie verfasst. 2012 wechselte sie als technische Angestellte zum Verband und kümmerte sich schwerpunktmäßig um die Kanalnetze in Egelsbach und Erzhhausen und um die biologische Reinigungsstufe. Ihre neue Aufgabe nennt sie einen Traumjob. Die Abwasserreinigung, in der unter anderem Bakterienstämme ans Werk gehen, ist für sie eine „faszinierende Regelungstechnik der Natur“. Und langweilig wird es bestimmt nicht. Gerade wird der Faulbehälter gedämmt, um Energie zu sparen. Neue Richtlinien, um die Abwassergüte zu verbessern, werden sie darüber hinaus beschäftigen. Vielleicht geht Eva-Maria Frei ja auch eines Tages auf Goldsuche. US-Wissenschaftler jedenfalls denken darüber nach, Abwasser mit menschlichen Exkrementen systematisch auf Edelmetalle zu filtern. Sie schätzen, dass die Metalle in den Hinterlassenschaften von einer Million Amerikanern bis zu 13 Millionen Dollar wert sein könnten.